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19. Dezember 2023

Selma Noort über „Das kleine Haus am Fluss“

Was war Ihre Inspiration für das Setting des Buches? Welchen Einfluss hatte dabei die niederländische Landschaft?

Das kleine Haus am Fluss ist ein real existierendes Haus (s.u.). Es liegt in Südholland, wo ich aufgewachsen bin. Mein ganzes Leben lang habe ich am Oude Rijn gelebt. Zuerst in der wunderschönen Altstadt von Leiden, später viele Jahre in Koudekerk aan den Rijn, einem Dorf weiter flussaufwärts. In meinem Buch ist Koudekerk die Vorlage für das Dorf mit der alten Brücke und dem Friedhof. Ich lebe jetzt in Alphen aan den Rijn, wiederum einige Kilometer weiter flussaufwärts.

Als ich am Flussufer entlang radelte, kam ich immer an einem sehr kleinen Haus vorbei, das genau zwischen Fluss und Straße lag. An dieses Haus schließen einige andere etwas größere Häuser mit Garten an. Dann treffen Straße und Fluss wieder aufeinander. Am Flussufer dieses kleinen Grundstücks steht eine lange Reihe alter Birnbäume, wie ich es im Buch beschrieben habe.

Als ich an diesem sehr kleinen Haus vorbeikam, fragte ich mich immer, wer dort wohnt und wie es wäre, dort zu leben. Eines Tages beschloss ich, die Geschichte dieses kleinen Hauses aufzuschreiben und Geschichten der Menschen, die am Rijn lebten, mit meinen eigenen Erinnerungen zu ergänzen.

Um Vergangenheit und Gegenwart zu verbinden und einen Eindruck von den Veränderungen im Laufe der Zeit zu vermitteln, musste ich drei Generationen eine Stimme geben. Deshalb dachte ich mir die Familie van Rijn aus (das ist der häufigste Familienname in den Niederlanden). Ich musste einige Dinge ändern, damit meine Geschichte funktionierte. Der Lastwagen ist z. B. nicht gegen dieses kleine Haus gekracht, sondern hat ein anderes Haus in Koudekerk aan den Rijn beschädigt (und das konnte repariert werden).

Schon lange gab es Pläne der Regierung für eine neue Brücke über den Rhein, vor allem wegen des starken Verkehrs. Die Diskussion ging weiter und weiter, denn immer hieß es: „Wer soll diese Brücke bezahlen?“ Jetzt gibt es endlich eine Brücke, die Koningin-Máxima-Brücke, wie im Buch.

Der gesamte Schauplatz des Buches entspricht zu 90 % der Realität und viele Episoden der Geschichte sind dem wirklichen Leben und meinen eigenen Erinnerungen entnommen.

Wie kamen Sie auf die teils skurrilen Personen? Haben Sie sich von realen Personen inspirieren lassen?

Für mich ist der einzige skurrile Charakter Opa Gurrgurr mit seinen Tauben und Hühnern. Er repräsentiert die Menschen, die den Anforderungen und Tragödien des Lebens nicht gewachsen sind. Deshalb tragen praktischere Menschen wie seine Schwester Oma Mu die Last und Verantwortung, sich um ihn zu kümmern. Sie wollen es nicht immer, aber sie müssen es, weil sie akzeptieren, dass zu jedem Leben Probleme und Familie gehören und dass man sich mit diesen beiden Tatsachen auseinandersetzen muss.

Ihre Buchfiguren leben in einer behüteten Umgebung. Sie erleben einen fröhlichen Familienalltag und kleine Sommerabenteuer. Zugleich sparen Sie Ernstes wie Unfälle, Belastungen des Alters, psychische Probleme und Migration nicht aus. Welche Überlegungen stecken hinter dieser Verquickung?

Ich beschreibe Personen und Ereignisse so, wie ich sie im Alltag erlebe. Das Leben ist kompliziert und anstrengend. Und auch wenn man wie die Familie van Rijn ein relativ einfaches Leben führt, bedeutet das nicht, dass die Außenwelt nicht durch Arbeit, Schule und allerlei soziale Geschehnisse den Frieden stört. Die Charaktere in diesem Buch sind nicht isoliert. Es sind echte Personen, die ein echtes Leben führen. Sie sind handwerklich ausgebildet, wohlmeinend und fleißig. Unter der unablässigen Fürsorge von Oma Mu übernehmen sie Verantwortung für ihre Umgebung und für diejenigen, die Hilfe benötigen.

Das Interview wurde von Dana Haufschild auf Englisch geführt und übersetzt.